Die Mitglieder der Scuola Grande di San Rocco* berieten in den Räumen der Bruderschaft über die Werke, die von den verschiedenen Künstlern eingereicht worden waren. Man hatte geplant, die Säle mit einem spektakulären Gemäldezyklus auszustatten, und zu diesem Zweck war eine Ausschreibung veröffentlicht worden, um einen Künstler für diesen wichtigen Auftrag zu finden. Paolo Veronese, Giuseppe Salviati, Andrea Schiavone und Federico Zuccaro hatten ihre Entwürfe bereits eingereicht.
„Hat Signor Jacopo Tintoretto nichts eingereicht?“, fragte einer der Männer.
Die verschiedenen Mitglieder der Jury blickten sich überrascht an, als Tintoretto den Saal mit schnellem und entschlossenem Schritt betrat und die geehrten Auftraggeber aufforderte, ihm in den nächsten Raum zu folgen. Ein Tuch bedeckte genau die Stelle an der Decke, an der das Gemälde des heiligen Rochus – für das die Bruderschaft Skizzen angefordert hatte – hängen sollte. Auf ein Zeichen Tintorettos wurde das Tuch gelüftet, und die Jury stand vor einem vollendeten Gemälde, das den Schutzheiligen San Rocco in himmlischer Verklärung zeigte.
Die Männer waren sprachlos. Wie um alles in der Welt war es Tintoretto gelungen, dieses Bild in so kurzer Zeit und mit exakt den vorgegebenen Maßen fertigzustellen? Tintoretto begnügte sich damit, den Signori anzubieten, ihnen das Gemälde zu schenken, falls es ihnen nicht gefallen sollte. Ein kluger Schachzug, denn die geheime Satzung der Bruderschaft besagte, dass diese jedes Geschenk, das ihr und ihrem Schutzheiligen gemacht wurde, annehmen musste.
Mit diesem Manöver sicherte sich Tintoretto nicht nur einen Platz für sein Gemälde in der Scuola, sondern auch 20 Jahre kontinuierlicher Aufträge für mehr als 60 Gemälde.
Tintoretto war ein echter Venezianer mit einem hervorragenden Geschäftssinn und einem starken (manchmal sicherlich auch schwierigen) Charakter, der jede Gelegenheit zu nutzen wusste. Nun, es hatte sicher seinen Grund, warum man Jacopo den „Pfefferkorn“ nannte.
* Bruderschaft des heiligen Rochus
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