Eine Frau lag im Bett, ihr Gesicht vor Schmerzen verzerrt. Sie war nicht allein – eine weitere Frau saß an ihrer Seite. Plötzlich zerriss ein schriller Schrei die Stille des Raumes, und die Wände schienen zu beben. Es war nicht die Stimme der Frau, sondern die eines Kindes. Ein Neugeborenes, blutbedeckt und rothaarig, lag schwer atmend auf der Brust seiner Mutter. Die Überlebenschancen standen schlecht.
„Ich taufe dich im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes“, flüsterte die Hebamme, während sie Wasser über das kleine, zarte Köpfchen goss.
Vierzehn Jahre später begann derselbe rothaarige Junge eine Ausbildung zum Priester. Seine wahre Leidenschaft jedoch war die Musik, und für ihn gab es nichts Schöneres, als Violine zu spielen. Hin und wieder durfte er sogar seinen Vater im berühmten Orchester des Markusdoms vertreten. Seine Eltern jedoch sträubten sich gegen eine Laufbahn im Musikbereich. Sie sahen seine Zukunft vielmehr im kirchlichen Dienst, und so begann Antonio Vivaldi seine Ausbildung zum Priester. Aufgrund seiner roten Haare wurde er bald „der Rote Priester“ genannt.
Jahre später wurde er in der Kathedrale der Stadt zum Priester geweiht und trat seine neue Stelle an, doch er war schlicht nicht in der Lage, die Heilige Messe zu Ende zu feiern. Jedes Mal, wenn er am Altar stand, überkam ihn ein Unwohlsein: Ihm fehlte der Atem, und er verspürte ein Engegefühl in der Brust. So beschloss er, sich neben seiner Tätigkeit als Priester seiner wahren Leidenschaft zu widmen und den Mädchen des Waisenhauses Musikunterricht zu erteilen.
Das Talent der Mädchen, ihre engelsgleichen Stimmen und Vivaldis Hingabe machten das Waisenhaus in ganz Europa berühmt. Zahlreiche europäische Adlige, die Venedig besuchten, kamen in das Waisenhaus „La Pietà“, um die himmlischen Stimmen der Waisenmädchen, der sogenannten „putti“ (Engelchen), und die Kompositionen des „Roten Priesters“ Vivaldi zu hören.
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