Venedig befand sich in einem wahren Freudentaumel. Die Straßen waren voller lachender Menschen, die sich umarmten und ihrer Freude freien Lauf ließen. Hier und da öffneten Wirte eine Flasche Wein, um den Tag zu feiern. Doge Pietro Orseolo II. und die venezianische Flotte hatten es tatsächlich geschafft, die Adria von den lästigen dalmatinischen Piraten zu befreien. Die Handelsschiffe konnten nun in völliger Sicherheit nach Osten segeln und so die Rolle der Stadt als Handelszentrum und Tor zum Orient weiter ausbauen.
Die Herrscherin über die Adria
Venedig war zur Herrscherin über die Adria aufgestiegen. Natürlich begann die Stadt, dieses denkwürdige Ereignis jedes Jahr zu feiern, um an diesen Sieg zu erinnern. Ab 999 fuhren der Patriarch und der Doge jährlich mit dem Schiff zum Lido, um das Meer zu segnen: Das Fest der Sensa war geboren.
Die Friedensstifter
Als es etwa 200 Jahre später zu einem Streit zwischen Papst Alexander III. und dem römisch-deutschen Kaiser Friedrich Barbarossa kam, übernahm Venedig unter der Führung des Dogen Sebastiano Ziani (einer Art Bill Gates des 12. Jahrhunderts) die Rolle des Vermittlers und konnte 1177 tatsächlich Frieden zwischen den beiden Parteien stiften.
Als Zeichen der Dankbarkeit schenkte der Papst der Serenissima einen goldenen Ring (Symbol der Macht), der Venedigs Herrschaft über die Adria und die mystische Verbindung Venedigs mit dem Meer symbolisierte.
Die Feierlichkeiten waren spektakulär
Der Doge bestieg mit seinem gesamten Gefolge seine prächtige Staatsgaleere „Bucintoro“ und fuhr, gefolgt von zahlreichen typisch venezianischen Booten in allen Formen und Farben, zum Lido. Unterwegs machte der Festzug Halt in Sant’Elena, wo der Doge von den Mönchen und dem Patriarchen feierlich empfangen wurde und mit ihnen zur Bucht des Lido segelte.
Vor der Festung Sant’Andrea angekommen, goss der Patriarch im Rahmen der „Hochzeitszeremonie“ gesegnetes Wasser ins Meer, und der Doge warf einen goldenen Ring durch ein Fenster am Heck der Galeere ins Wasser. Er sprach die Worte:
„Ti sposiamo, o mare, in segno di eterno dominio!“
„Wir heiraten dich, o Meer, zum Zeichen ewiger Herrschaft!“
Falls ihr nun beschlossen habt, im Lido-Hafen nach den (mehr oder weniger) 797 Goldringen zu tauchen, muss ich euch enttäuschen: Der Ring war an einem Faden befestigt und wurde am Ende der Zeremonie aus den Wellen gefischt.
Übrigens wird die „Festa della Sensa“ auch heute noch in Venedig gefeiert (sie entspricht unserem Himmelfahrtstag), wobei der Bürgermeister der Stadt (anstelle des Dogen) einen Kranz vor dem Lido ins Wasser wirft.

